von Beate Küpper, Hochschule Niederrhein, beteiligt am Projekt DEMOKON und der Mitte-Studie
Der dramatische, inzwischen auch spürbare Klimawandel und damit verbunden die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien gehören zentral zu den aktuell diskutierten Polykrisen. Dazu gehört aber auch der lange zunehmende Trend der Demokratisierung – weltweit wie in Deutschland – und der mit ihm verbundene Anspruch an Vielfalt in Gleichwertigkeit. Gegen beides regt sich verschiedentlich Gegenwehr, teils mit Erfolg. Populismus, mit seiner Kernerzählung des von den Eliten betrogenen Volkes und seiner Behauptung eines homogenen Volkes, greift flexibel gegenwärtige Krisen um Migration, Corona, Krieg und Inflation auf, und ebenso den Klimawandel und die Demokratisierung, heizt das Gefühl von Unsicherheit und Bedrohung an und verspricht ein Zurück in eine vermeintlich heile, vor Veränderung bewahrte Welt mit klarer Ordnung und eigener Vormachtstellung. Er öffnet damit Handlungsspielräume für demokratiegefährdende bis hin zu rechtsextremen Positionen, nutzt geschickt demokratische Grundwerte von „(Meinungs-)Freiheit“ und wendet sich gegen einen vermeintlich übergriffigen Staat. Zugleich bereiten diese Entwicklungen einer großen Mehrheit Sorgen: 80 % der Menschen in Deutschland machen sich große oder sehr große Sorgen angesichts des Klimawandels, ebenso viele sorgen sich wegen Hass und Feindseligkeit, zwei Drittel wegen Rechtsextremismus, wie die im Mai 2023 veröffentlichte Studie zu „Demokratievertrauen in der Krise“ von Volker Best und anderen der Universität Bonn berichtet.
In einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung im Rahmen des Projekts DEMOKON – Eine demokratische Konfliktkultur für die Energiewende (2019-2022), umgesetzt unter Leitung des Potsdam Instituts für Klimafolgeforschung, gefördert von der Stiftung Mercator, befürworteten 70 % der Befragten die Energiewende, lediglich 8 % lehnten sie ab, die übrigen standen ihr ambivalent gegenüber. Selbst in Regionen mit de facto besonders starkem Ausbau der erneuerbaren Energien lehnte nur eine vergleichsweise kleine Minderheit diesen ab, deutlich mehr nahmen dies aber von anderen in der Region an. Beispielsweise waren in Regionen mit starkem Windkraft-Ausbau nur 21 % dagegen, 48 % vermuteten aber, die Menschen in ihrer Region lehnten diesen ab. Erstmalig haben wir in dem Projekt auch einen auf die Energiewende bezogenen Populismus erhoben, dem 19 % der Befragten folgen, übrigens weitgehend unabhängig von der tatsächlichen und gefühlten Betroffenheit des Ausbaus. Deutlich wurde vielmehr: Wer Populismus in Bezug auf die Energiewende zustimmt, stimmt auch allgemein Populismus zu und vertritt auch mit höherer Wahrscheinlichkeit rechtsautoritäre Positionen. In der aktuellen Mitte-Studie 2022/23, durchgeführt unter Leitung des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, haben wir nun erneut nach Positionen rund um Klimawandel und Energiewende gefragt; Fritz Reusswig vom Potsdam Institut für Klimafolgeforschung war daran als Hauptautor beteiligt. Hier zeigt sich: 51 % der Befragten vertreten klimapolitisch progressive Positionen ohne Wenn und Aber, auch wenn sie mehr Bürgerbeteiligung fordern. Hier zeigt sich nicht nur ein klarer empirischer Zusammenhang klimapolitisch regressiver Positionen mit Populismus, sondern mehr noch: Der Eindruck von Krise betroffen zu sein, wird in eine klimapolitisch regressive Haltung übersetzt, befeuert über Populismus.
Es geht also nicht allein um echte und gefühlte Betroffenheiten von Krisen, die Gegenwehr (auch) gegen eine progressive Klimapolitik erzeugen, es braucht vielmehr den Populismus zur Übersetzung. Die viel beschworene Polarisierung der Gesellschaft ist erstens eine zwischen einer breiten Mehrheit und einer kleinen, aber lautstarken und demokratiegefährdenden Minderheit der „No’s“, wie sie inzwischen in den Sozialwissenschaften genannt werden, und zweitens braucht es hier das Werk des Populismus einschließlich von gut vernetzten Akteuren von Rechtsaußen, sekundiert mal bewusst, mal naiv durch Politik und Medien.